Einige Gedanken zur Ethik in der Naturfotografie



Naturfotografien können gleichzeitig informativ und ästhetisch sein. Sie bringen dem Betrachter die Schönheit der Natur näher und zeigen so, dass es wichtig ist die Natur zu schützen und zu erhalten.
Wenn der Fotograf aber die Natur schädigt um ein gutes Bild zu erhalten, wenn er, ohne es zu deklarieren, die Natur manipuliert, wenn er Bildteile zusammenkopiert, die nicht zusammengehören und das dann «Naturfotografie» nennt, belügt er die Betrachter seiner Bilder. Dann verliert die Naturfotografie ihre Faszination und ihren Sinn.

Was ist Natur?


Tiere in Gefangenschaft sehen teilweise anders aus (was z.B. an den oft geknickten Rückenfinnen von gefangenen Orcas zu sehen ist) und verhalten sich fast immer anders als freilebende Tiere. Meiner Meinung nach hat die Fotografie gefangener Tiere nur am Rande etwas mit Naturfotografie zu tun. Von einer Naturfotografie wird erwartet, dass sie die Natur so zeigt, wie sie ohne das Zutun von Menschen ist. Wenn das nicht möglich ist (z.B. bei nachtaktiven Tieren) sollte der Fotograf das deklarieren.

Die Natur nützen und schützen


Beim Fotografieren in der Natur ist es nicht ganz zu vermeiden, dass man auf Pflanzen tritt. Auch, dass der Fotograf entdeckt wird und Tiere seinetwegen flüchten, kann nicht immer ganz ausgeschlossen werden. Infolgedessen helfen Naturfotografen nicht nur die Natur zu schützen, sie nützen und belasten sie auch.
Sind Naturfotografen deshalb Schädlinge die besser zuhause bleiben würden? Tatsächlich ist die wertvolle Artenvielfalt durch uns Menschen akut bedroht. Die Hauptursachen sind: Schon seit tausenden Jahren leben Menschen in Europa. Dass sich Mensch und Tier begegnen ist natürlich und muss keine Bedrohung für die Artenvielfalt sein. Allerdings kommt es auf den Ort, auf die Zeit, auf die Menge solcher Begegnungen, auf das Verhalten der Menschen bei den Begegnungen und auf das von den Menschen benutzte Fortbewegungsmittel an.

Da wir Naturfotografen einen viel direkteren Bezug zur Natur haben als z.B. Outdoor-Sportler, sollten wir auch eine höhere Sensibilität für die Bedürfnisse der Tiere haben. Nur die gesetzlichen Vorschriften von Wildruhezonen, Nationalparks etc. einzuhalten, sollte uns nicht genügen. Wir sollten auch von uns aus erkennen, wann ein Tier verletzlich ist und dann dessen Schutz höher gewichten als den egoistischen Wunsch nach einer tollen Fotografie. Durch ein solches Verhalten verzichten wir zwar auf einige Bilder, erhalten uns aber die Freude an der Naturfotografie, was längerfristig zu besseren Resultaten führt.
Wer sich gerne mit den Verhaltensweisen von Tieren auseinandersetzt und die Ausdauer hat, sie über einen längeren Zeitraum und zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten aus gebührendem Abstand zu beobachten, findet auch Möglichkeiten sie in ansprechender Qualität zu fotografieren ohne dabei zu stören.

Zitat von Baba Dioum (senegalesischer Tierschützer): «Nur was Menschen kennen, werden sie lieben; nur was Menschen lieben, werden sie schützen». Die Bilder jedes Naturfotografen tragen dazu bei, die Partnerschaft zwischen Mensch und Natur zu vertiefen. Die Qualität dieser Partnerschaft entscheidet schlussendlich, wie viel Raum der Natur zugestanden wird. Meiner Meinung nach wiegt die Verbesserung der Beziehung zwischen Mensch und Natur die negativen Aspekte, welche die Naturfotografie zweifellos auch mit sich bringt, auf. Vorausgesetzt der Fotograf verhält sich respektvoll und defensiv.
Ich bin der Meinung wir Naturfotografen sollten nicht nur bei direkten Begegnungen Rücksicht auf die Tiere nehmen, sondern allgemein mit den natürlichen Ressourcen sorgfältig umgehen. Tipps wie die Umwelt geschont werden kann finden Sie unter WWF Schweiz - Umwelttipps

Die elektronische Bildbearbeitung


Wenn die elektronische Bildbearbeitung dazu verwendet wird etwas darzustellen, was nicht so war, ist das Resultat keine Naturfotografie sondern eine Fotomontage oder eine Collage.

adler beim Anflug auf seinen Horst

Dieses Bild eines Steinadlers, beim Anflug auf seinen Horst, ist eigentlich eine klassische Fotomontage. Es ist aus den folgenden Bildern zusammengesetzt:

montage

Die Montage dient dazu, den Fehler des schlechten Bildschnitts beim rechten Bild zu korrigieren. Beim Anflug des Alttiers war der Jungadler, von meinem Versteck aus, nicht sichtbar. Das Ergebnis zeigt die Szene so, wie sie in der Natur wirklich war und ist für mich deshalb, trotz Montagetechnik, authentisch. Nicht authentisch wäre natürlich ein Bildschnitt bei dem das Küken dem Adler beim Anflug zusehen würde oder wenn z.B. der grosse Ast entfernt worden wäre. Meiner Meinung nach muss eine Montage aber auf jeden Fall deklariert werden. Siehe dazu auch das Bulletin #26 von Fritz Pölking.

Um suboptimale Begebenheiten bei der Aufnahme auszugleichen, kann die elektronische Bildbearbeitung aber auch als Werkzeug dienen wie die Kamera, das Objektiv oder das Stativ. Soll das Sensorrauschen bereits in der Kamera herausgerechnet werden, damit das Bild als «nicht digital verändert» deklariert werden kann? Ich möchte das Sensorrauschen kontrolliert auf dem Computer reduzieren. Ich bin sicher, damit eine bessere Qualität zu erreichen und bin nicht bereit eine Reduktion der Serienbildgeschwindigkeit beim Fotografieren in Kauf zu nehmen, weil die Kamera im Hintergrund unkontrolliert an meinen Bildern herumrechnet.
Warum soll man das Werkzeug «Bildbearbeitung» nicht einsetzen um z.B. die Fehler des Werkzeuges «Objektiv» zu korrigieren? Die Natur hat keine Aberrationen. Durch das Korrigieren von Aberrationen werden Bilder nicht nur schöner, sondern auch authentischer. Das gleiche gilt z.B. auch für Sensorflecken und Vignettierungen.
Wie ist das bei den Farb- Belichtungs- und Schärfekorrekturen? Die leuchtenden Farben eines Sonnenuntergangs sehen auf den unbearbeiteten Bildern oft flau aus. Damit die Farben realistisch wiedergegeben werden, muss die Sättigung teilweise nachträglich erhöht werden. Auch Fritz Pölking nutzte diese Werkzeuge und sah sie nicht, oder zumindest nicht nur, als Manipulation, wie er in seinem Bulletin vom 23.8.2004 ausführt. Aber wo ist die Grenze zwischen Bildbearbeitung als Werkzeug und manipulativer Bildbearbeitung? Wie viel Sättigung darf man in den Sonnenuntergang «hineinrechnen»? Wer kann im Nachhinein sagen, wie die Farben bei der Aufnahme wirklich waren? Wie stark darf man den Hintergrund weichzeichnen? Hat der Fotograf nur das Bokeh und das Sensorrauschen korrigiert wenn der Hirsch auf dem bearbeiteten Bild nicht mehr vor dem Wald sondern vor einer grünen Fläche steht? Objektive Grenzen für die Anwendung dieser Techniken können wegen den unzähligen unterschiedlichen Lichtsituationen, Ausrüstungen und Einstellmöglichkeiten der Kamera, leider nicht definiert werden. Uns Fotografen bleibt hier nur die Eigenverantwortung. Ich persönlich verwende nie farbgebende Werkzeuge wie z.B. Pinsel oder Verlaufswerkzeuge und probiere mich bei den Farbkorrekturen daran zu orientieren, wie es bei der Aufnahme wirklich ausgesehen hat.

Der Beschnitt


Teilnahmebedingungen von Naturfotowettbewerben, die oft gute und restriktive Vorgaben haben, schreiben vielfach vor wie stark ein Bild elektronisch beschnitten werden darf.
Wer einmal in Freiheit lebende Tiere fotografiert hat, kennt auch die Hauptschwierigkeit dabei: Die Tiere sind für eine qualitativ gute Fotografie zu weit weg. Nun kann man entweder nahe herangehen, was das Verhalten der Tiere beeinflusst und sie eventuell sogar veranlasst zu flüchten, oder man kann moderne Technik einsetzen. Und warum soll, neben einem «langen» Objektiv, nicht auch ein hochauflösender und rauscharmer Sensor dazu gehören, der es ermöglicht am fertigen Bild einen Ausschnitt zu wählen? Wichtig ist doch, dass der Ausschnitt immer noch eine hohe Aussagekraft und Qualität hat.
Natürlich ist der Bildschnitt am Computer auch ein Gestaltungsmittel. Und natürlich soll die elektronische Bildbearbeitung der technischen Verbesserung, nicht aber der Gestaltung dienen. Da aber auch ein Ausschnitt eine natürliche Begebenheit authentisch wiedergibt, halte ich es für legitim, dass der Fotograf nicht nur vor Ort, sondern auch nachträglich am Bildschirm, die Entscheidung des Bildschnitts trifft.

Nachfolgend ein Versuch zu formulieren wie ich mich beim fotografieren verhalte:

Kodex Naturfotografie Mats Meyer



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